BNN – Ausgabe Bruchsal vom 23. Juni 2001
Stärkere Ausrichtung auf
Zielgruppen und Ziele
Pfarrerin Marlene Bender nicht
ganz zufrieden mit den Fragebögen für die Kirchenvisitation
Bruchsal-Untergrombach/Obergrombach.
In den evangelischen Christusgemeinden Unterund Obergrombach beginnt heute eine
sogenannte „Visitation". Ein Gremium des Bezirkskirchenrates unter
Leitung von Dekan Wolfgang Brjanzew kommt für eine Woche in die Gemeinden. Der
Besuch dient der Rückbesinnung, Bestandsaufnahme und Zielfindung künftiger
Gemeindearbeit. Erstmals kommt dabei auch ein neues
Konzept zum Tragen: Anhand von drei Fragebögen wurden Gemeindeglieder bereits
im März nach ihren Erfahrungen und Erwartungen befragt. Unser
Redaktionsmitglied Hansjörg Ebert sprach mit Pfarrerin Marlene Bender von den
evangelischen Christusgemeinden, was für Erfahrungen sie bislang mit dem neuen
Konzept der Kirchenvisitation gemacht hat.
BNN: Worin unterscheidet sich eigentlich
die neue von der alten Form?
Bender:
Das alte Konzept war stärker Rückblick und Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes.
Das neue Konzept, das mit drei ausführlichen
Fragebogen arbeitet, richtet den Blick nach vorne: Was wird von der Gemeinde erwartet,
welche Zielgruppen wollen wir erreichen und auf welche Ziele hin soll die
Gemeindearbeit generell ausgerichtet werden.
BNN: Wo sehen sie die Vorteile dieser
neuen Variante?
Bender: Der Blick nach vorne und das Nachdenken darüber, was wir eigentlich wollen, sind wichtig. Dabei ist auch zu überprüfen, welche Gemeindeaktivitäten, die früher einmal richtig und sinnvoll waren, sich mittlerweile überlebt haben. Und wir müssen uns immer wieder neu die Frage stellen, wie wir mit dem Evangelium zu den Leuten kommen.
BNN:
Und die Nachteile?
Bender: Die Fragebogenform normiert die Themen und Fragestellungen. Damit lässt sich landeskirchenweit in statistischer Sicht natürlich viel besser arbeiteten. Doch die Fragebogen zwängen die Sache mitunter in ein Raster, das den individuellen Problemen einer Gemeinde nicht gerecht wird.
BNN:
Ihr Verbesserungsvorschlag?
Bender:
Abschied vom einheitlichen Fragebogen, und dafür die Möglichkeit für jede
Gemeinde, die Fragen individueller zu gestalten. Die Kirchenvisitation ist ja
auch eine gemeindespezifische Angelegenheit. Und
auch die Auswertung der Fragebögen muss die Gemeinde leisten. Bei uns stecken
immerhin 230 Stunden ehrenamtlicher Arbeit drin.
BNN:
Weitere Kritikpunkte?
Bender: Auch Leute, die nicht zur Gemeinde kommen, sollen - anonym - nach ihren Erwartungen befragt werden. Das ist zum einen sicher richtig, zum anderen im Einzelfall viel zu unspezifisch, als dass wir etwas damit anfangen können. Was etwa bedeutet es, wenn als Wunsch „Gospel“ angekreuzt wird: ein Gospelkonzert, ein Gospelgottesdienst, die Gründung eines Gospelchors? Hier haben wir keine Möglichkeit, nachzufragen, was gemeint war. Außerdem fördert dieses Vorgehen die Bedienungsmentalität vieler Zeitgenossen, das eigene Engagement bleibt außen vor. Kirche ist aber kein Selbstbedienungsladen.
BNN:
Und was erwarten sie von der Visitation als solcher?
Bender: Neue Impulse für die Gemeindearbeit, dass Gruppen und Kreise miteinander ins Gespräch kommen, dass die Mitarbeiter gestärkt werden und wir uns gemeinsam überlegen, wer die Arbeit macht. Zu viel hängt derzeit noch an der Pfarrerin.