BNN – Ausgabe Bruchsal vom 6. Mai 1998

Eine bisher einmalige Aktion in hiesiger Region

"Kirche und Pfarrer(in) sollen im Dorf bleiben"

Christusgemeinden von Unter- und Obergrombach gründeten einen Förderverein zur Erhaltung der Gemeindearbeit

Von unserem Redaktionsmitglied Bertold Moos

Bruchsal-Untergrombach.

Gravierende Steuerausfälle durch Kirchenaustritte und Verschiebungen in der Altersstruktur (immer mehr Kirchenmitglieder sind in Rente oder in der Ausbildung und daher nicht oder noch nicht erwerbsfähig) zwingen die Evangelische Landeskirche in Baden zu drastischen Sparmaßnahmen, sonst wäre sie binnen etwa fünf Jahren zahlungsunfähig. Die Synode sah sich daher gezwungen, selbst Pfarr- und Diakonstellen zu streichen, Kirchengemeinden zusammenzulegen. Von dieser Strukturreform sind in Bruchsal in besonders einschneidendem Maße die Christusgemeinden Unter- und Obergrombach betroffen, so daß nur noch eine "pfarramtliche Grundversorgung" gewährleistet werden könnte (wir berichteten). dagegen protestieren die Protestanten beiden Bruchsaler Stadtteile nicht nur, sondern 2 Gemeindeglieder gründeten am Montag abend einen Förderverein mit dem Ziel die Gemeindearbeit zumindest in der bisher geübten Form durch Erhalt der Pfarrpräsenz zu erhalten und sie langfristig zu sichern, sie durch Seminare und Veranstaltungen missionarisch-diakonischer Art zu fördern. Das vornehmste Anliegen ist "die Verkündigung der christlichen Botschaft und die Seelsorge".

Den Gründungsmitgliedern geht es konkret auch darum, angesichts der bedrückend hohen Arbeitslosigkeit einen Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplätzen zu leisten. Die Pfarrstelle für Unter- und Obergrombach ist aufgeteilt in ein halbes Deputat für die Christusgemeinden und in eine halbe Stelle für die Krankenhausseelsorge in Bruchsal. Zur Zeit teilt sich das Pfarrerehepaar Marlene und Manfred Bender diese zwei Aufgabenbereiche Der Bezirkskirchenrat, der die angeordneten Streichungen auszuführen hat, entschied nun, die halbe Pfarrstelle in Untergrombach zu belassen, die Krankenhausseelsorge abzukoppeln und die auf eine halbe Stelle reduzierte Bruchsaler Südstadtgemeinde hinzuzufügen, also nur noch eine Pfarrerin oder Pfarrer für die beiden Christusgemeinde in und Paul-Gerhardt (mit Sitz des Pfarrers in Bruchsal).

Der Förderverein versucht nun eigenverantwortlich - ein bisher in unserer Gegend einmaliger Schritt - finanzielle Rücklagen zu bilden um bei Bedarf aus eigenen Mitteln ein Teil der Personalkosten für eine Pfarrstelle (Unter- und Obergrombach) aufzubringen, Projekte in der Gemeinde, für die in den kommenden Jahren von der Landeskirche keine Mittel mehr zu erwarten sind, will die Gemeinde mitfinanzieren. Dabei geht es ihr vor allem um die Familien- und Jugendarbeit(allein der ebenfalls immer noch wachsende Gemeindeteil Untergrombach hat zur Zeit drei Jungscharen), um Diakonisse Aufgaben allgemeiner Art, um ökumenische Zusammenarbeit, auch um die Förderung der Kirchenmusik. Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben, der eigenständige Verein lebt ausschließlich von Spenden, die steuerlich abzugsfähig sind. Der Verein steht jedem offen, der sich mit der Zielsetzung identifiziert. Im Konfirmationsgottesdienst am kommenden Sonntag, 10 Uhr, in der Gustav-Adolf-Kirche zu Untergrombach soll das Projekt vorgestellt werden. Die von jedermann einzusehende Satzung ist mit dem Finanzamt, das unbürokratisch prompte und wertvolle Hilfestellung gab, natürlich abgestimmt und daher genehmigungsfähig.

So problemlos die steuerrechtlichen Aspekte mit der Dienstleistungsbehörde(!) Finanzamt nach Vorprüfung durch deren Satzungsexperten binnen lediglich einer halben Stunde abgewickelt werden konnten, so rasch wurden die Vorstandswahlen vom Vorsitzenden des Ältestenkreises, Dr. Hans-Wilhelm Müller, durchgezogen. Vorsitzender wurde Eike Hutes, sein Stellvertreter ist Dr. Andreas Wicke. Als Schriftführer wurde Wolfgang Ohder gewonnen und als Kassier Harald Olsen. Mit dem Schritt, einen Förderverein zu gründen, wollen die beiden Christusgemeinden ihrer Landeskirche und dem Dekanat zeigen, daß sie Verständnis für die finanzielle Not ihrer Kirche haben, gleichzeitig "soll sichtbar werden, wie viel uns an unserer Gemeinde liegt": Kirche und Pfarrer/in sollen, also im Dorf bleiben.